Da wurde mir klar, dass ich nicht aufhören werde, solange es Menschen gibt, für die meine Arbeit wichtig ist.
Am schwersten ist es immer, über menschliche Verluste zu schreiben und mit Angehörigen zu sprechen, die ihre Kinder verlieren. Keine noch so gute Schulung kann eine emotionale Barriere aufbauen, die vor solch einem Leid schützen würde.
Einziger
Artikel
Kooperation mit Anna
Zwei Dinge motivieren mich, unermüdlich weiterzuarbeiten. Das erste ist das Bedürfnis, Gerechtigkeit wiederherzustellen, damit die Schuldigen für die Tragödie meines Landes und meine persönliche Tragödie bestraft werden. Der zweite Grund sind die Menschen. Einmal, in einem Moment der Schwäche, sagte ich mir, dass ich aufhören sollte, und genau in diesem Moment schickte mir einer meiner Leser eine Nachricht: “Danke für Ihre Arbeit. Sie verbinden uns [die Einwohner:innen von Mariupol], die über die ganze Welt verstreut sind.”
Während des Krieges kam ich zu einer für mich sehr wichtigen Erkenntnis. Meiner Meinung nach ist es ein schwerwiegender Fehler, Lügner:innen und Kriminellen eine Stimme zu geben und dies als Meinungsfreiheit zu tarnen. Schwarz als Weiß zu bezeichnen, ist keine andere Perspektive, sondern Desinformation. Wir erschuffen mit unseren eigenen Händen eine Welt, in der Desinformation komplett salonfähig wurde – jetzt nennt man sie Post-Wahrheit oder “andere Wahrheit”. Nach 2022 hat diese “Post-Wahrheit” keinen Platz mehr in meiner Arbeit. Die Dinge beim Namen zu nennen, ist ein Luxus, den ich mir jetzt bewusst gönne.
Mein wohl wichtigster Beitrag ist der über die Ereignisse im Schauspielhaus von Mariupol am 16. März 2022. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Journalist:innen mehr in der Stadt. Die Stadt lebte ohne Verbindung zur Außenwelt. Durch ein Wunder und ganz zufällig gelang es mir, eine Familie zu finden, die bei einem Bombenangriff überlebt hatte. Das war das erste offizielle Zeugnis über das Verbrechen der Russischen Föderation gegen die Zivilbevölkerung. Ich zeichnete nicht nur das Interview auf, sondern leitete die Zeugenaussagen auch an Menschenrechtsorganisationen und Ermittler:innen des Internationalen Strafgerichtshofs weiter. Für mich war es wichtig, diese Beweise für die Geschichte und für den künftigen Prozess gegen die Verbrecher:innen – Putin und sein Team – festzuhalten.
Azovstal-Hüttenwerk, Mariupol
Foto: 12. Brigade der Sondereinheit “Azov” (azov.org.ua)
Heute ist das Hauptthema meiner Beiträge der Krieg und seine Auswirkungen.

Die Auswirkungen auf Menschen, die überall auf der Welt verstreut sind. Die Auswirkungen auf die Umwelt, denn die Folgen des Krieges für die Umwelt der Städte sind schlimmer als die der Fabriken. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft und die damit verbundenen sozialen Probleme der Menschen.
Ich befasse mich seit über 10 Jahren mit diesem Thema. Heute liegt das Stahlwerk in Trümmern. Genau wie Mariupol.
Geboren in Mariupol, lebt und arbeitet in Kyjiw. Chefredakteurin der Website 0629.com.ua und Projektmanagerin des Clusters für vertriebene Medien. Im Rahmen des Clusters für vertriebene Medien unterstützt Anna Ukrainer:innen in den vorübergehend besetzten Gebieten, indem sie über die Medien, die sie leitet, Geschichten über den Krieg erzählt. Sie ist auch Autorin des Buches „Mariupol. Der letzte Vorposten“, das die Versuche der Ausrufung einer separatistischen Volksrepublik in der Stadt beleuchtet. Anna wurde vom Ausschuss des ukrainischen Parlaments (Werchowna Rada) für ihren Beitrag zur Meinungsfreiheit ausgezeichnet.
Anna
Murlykina