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Kooperation mit Victoria
Kooperation mit Victoria
Es ist erschreckend, aber wir scheinen uns langsam an den Kriegsjournalismus zu gewöhnen, er wird alltäglich.
Der ukrainische Journalismus ist heute voller Herausforderungen: fehlende Finanzmittel für unabhängige Medien; Mangel an Fachleuten, die sich der Armee anschließen; militärische Zensur; Burnout und Depressionen unter den Kolleg:innen; nur kurzfristige Planung; Stromausfälle bei Beschuss; Druck aufgrund der hohen Verantwortung für jedes Wort. Die Liste lässt sich noch weiter fortsetzen, aber das Wichtigste ist, dass wir uns anpassen.

Wir mussten als Journalist:innen neue Fertigkeiten erlernen: erste Hilfe, Regeln für die Arbeit an gefährlichen Orten und in Schutzräumen, Übertragung von Nachrichten und Ereignissen aus Kellern, U-Bahn-Stationen und Korridoren, Sicherheits- und Integrationspolitik, Kommunikation mit dem Militär und Regeln für die Kommunikation mit Betroffenen.
Das Thema Gleichstellung von Frauen war mir schon immer wichtig, aber es ist schwierig, während des Krieges darüber zu sprechen, weil der Konflikt Fortschritte zunichte macht und uns in dieser Frage zurückwirft. Deshalb konzentriere ich mich auf die Berichterstattung über den Krieg selbst, denn erst nach dessen Ende können wir uns wirklich in Richtung Gleichberechtigung bewegen.

Heute schreibe ich über Beschüsse, Verluste, Tote, militärische Analysen, das Leben von Binnenflüchtlingen und die Lieferung von Waffen und anderer militärischer Hilfe an die Ukraine. Aus diesem Grund stieg mein persönliches Misstrauen gegenüber Informationsquellen, und ich muss viel mehr Zeit aufwenden, um Aussagen, Fotos, Audio- und Videomaterial sowie alle Fakten zu überprüfen. Es gibt so viele Fälschungen, Manipulationen und Desinformationen, dass es unsere Hauptaufgabe zu sein scheint, die Wahrheit zu finden.
Am schwersten ist es, zu schreiben, zu berichten oder zu sehen, wie Kinder bei Beschuss getötet werden. Aber ich kann nicht anders, denn ich konnte mit meinen eigenen Augen sehen, wie Informationsangriffe Teil der militärischen Aggression und Besatzung werden und wozu Propaganda führt. Das erste, was die Russ:innen tun, wenn sie ein Gebiet einnehmen wollen, ist, Fernseh- und Rundfunktürme zu treffen. Wenn es keinen objektiven Journalismus gibt, wird der Feind seine Ziele in diesem Angriffskrieg viel schneller erreichen.
Kyjiw, Wohngebäude Foto: Andriy Dubchak / Frontliner
Vor Beginn der Vollinvasion arbeitete ich im Bereich der Menschenrechtsjournalismus, insbesondere in den Bereichen Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung. Jetzt ist es jedoch schmerzhaft, daran zu denken, da der Krieg uns erheblich zurückgewarf. Ohne Frieden können wir keine echte Gleichstellung erreichen, daher konzentriere ich mich derzeit in erster Linie auf die Berichterstattung über den Krieg und seine Folgen.
Geboren in Kertsch, Krim. Lebt und arbeitet in Kyjiw. Chefredakteurin von “Hromadske Radio”. Die auf der Krim geborene Viktoria setzte ihre journalistische Tätigkeit dort auch nach der russischen Besetzung im Jahr 2014 fort. Aufgrund ständiger Drohungen musste sie schließlich ihre Heimatstadt verlassen. Im Jahr 2024 übernahm sie die Leitung der Redaktion von “Hromadske Radio”, einem ukrainischen Medienunternehmen, das für seine Transparenz und die Einhaltung professioneller Standards bekannt ist. Der Radiosender wurde in die Liste der transparenten und verantwortungsvollen Medien aufgenommen und erhielt das Zertifikat der Journalist Trust Initiative (JTI), einem internationalen Standard, der von Reporter ohne Grenzen entwickelt wurde.
Viktoria
Yermolaeva